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Kampf um den textilen Nachwuchs in Deutschland - Ein Interview mit Matthias und Elisabeth Krüger

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Ein wesentlicher Faktor für den Erfolg eines Unternehmens sind in aller Regel seine Mitarbeiter. Die im Jahre 1989 gegründete Krüger + Krüger Management- und Personalberatung ging 2000 in die Krüger / Väth Personal- und Unternehmensberatung BDU über. Sie berät insbesondere Unternehmen aus der Textil-und Bekleidungsindustrie sowie damit verbundener Branchen z.B. Composite, Chemie, Maschinen- und Anlagenbau und darüber hinaus der Möbel-, Automotive-und Baustoffindustrie in den Märkten Deutschland, Österreich, Schweiz - zumeist in den eher abseits der Zentren gelegenen Regionen des Mittelstandes.

Die Beschäftigtenzahl in der deutschen Textil- und Bekleidungsindustrie ist in den letzten 10 Jahren stetig zurückgegangen. Wie sieht die aktuelle Situation für Fachkräfte in der deutschen Textil und Bekleidungsindustrie aus? 

Eine generelle Aussage für die Textil- und die Bekleidungsindustrie zu treffen, fällt ohne Zweifel schwer. Die starken Einbrüche sowohl in der Textil- als auch in der Bekleidungsindustrie in den vergangenen Jahren, sind, soweit wir es erkennen können, deutlich abgeflacht. Es scheint, als ob sich die jetzt noch im Markt befindlichen Unternehmen auf das veränderte Marktumfeld und die Wettbewerbssituation eingestellt und stabilisiert haben. Dabei hat und wird es auch in der Zukunft noch Verschiebungen zwischen einzelnen Bereichen wie z.B. Weberei und Nonwoven geben. Der Wandel vom klassischen Textil hin zur technisch/funktionalen Produktlösung ist ungebrochen. Das gilt für alle Bereiche in der textilen Wertschöpfungskette. Bezogen auf die Fachkräfte heißt dies, dass sich der Marktpositiv darstellt, dass eine Nachfrage da ist, jedoch nicht immer dort, wo dieFachkraft zuhause ist. Darüber hinaus haben angrenzende Branchen einen erhöhten Bedarf an Fachkräften mit textilem Know how entwickelt, z.B. Automotive,Medizintechnik, Composite, um nur einige zu nennen.

Wird sich die Situation aufgrund des demografischen Wandels verändern? Wie würden evtl. Auswirkungen Ihrer Meinungnach aussehen?

Die Textilindustrie hat eine im Durchschnitt deutlich höhere Altersstruktur, d.h. weniger Jüngere und mehr Ältere als der Rest der deutschen Industrie. Wenn es nicht gelingt, mehr junge Menschen für die Textil- und Bekleidungsindustrie zu gewinnen (und nicht nur als Designer), werden Unternehmen durch die demografische Veränderung gezwungen sein, Produktion zu verlagern oder Teile aufzugeben. Der Kampf um den Nachwuchs, verbunden mit der Attraktivität der Branche und des Arbeitsplatzes, wird künftig noch mehr als bisher über die Zukunftsfähigkeit der Unternehmen entscheiden.

Was können die Unternehmen unserer Branche heute schon tun, um dem auftretenden Fachkräftemangel entgegenzuwirken?

Aufgrund der Entwicklung der letzten 20 Jahre und des Sterbens vieler Textilbetriebe (auch Bekleidungsunternehmen) und dem daraus resultierenden Imageproblem müssen sich die Branche und die Unternehmen in der Öffentlichkeit deutlich positiver darstellen und präsentieren, auch in der Verbindung zu anderen 'sexy' Branchen wie Automotive, Medizin, Architektur. Dies gilt sowohl überregional als auch für jedes Unternehmen lokal. Und: Marketing in eigener Sache (Mitarbeitergewinnung) beginnt im eigenen Unternehmen. Dies bedeutet, dass die Unternehmen aufgefordert sind, ihre heutigen Mitarbeiter/innen (auch die 50+) zu fördern und Perspektiven zu bieten. Der überwiegend weibliche Anteil an Studienabsolventen (ca. 80%, ohne Textilmaschinenbau), auch der kommenden Jahre, erfordert, bestehende Organisationsstrukturen und Gewohnheiten (z.B. Präsenz) kritisch zu hinterfragen, um die Vereinbarkeit von Familie und Beruf nachhaltig zu ermöglichen. Der Umgang mit der heutigen eigenen Belegschaft wird mitentscheidend dafür sein, ob es gelingt, auch junge Leute in die Branche und für die Unternehmen zu gewinnen. Das Werben um Schulabgänger bei Ausbildungsmessen,P-Seminaren, das Anbieten von Praktikumsplätzen etc. sollte Hand in Hand gehenmit der Bereitschaft, qualifizierte Fachkräfte aus anderen Branchen zu gewinnen und ihnen die textilfachspezifischen Themen zu vermitteln.

Was empfehlen Sie Ihren Kunden?

Wir empfehlen unseren Kunden, z.B. die Wahrnehmbarkeit des Unternehmens im lokalen Umfeld durch geeignete Maßnahmen zu steigern. Dazu kann durchaus ein Tag der offenen Tür gehören. Genauso empfehlen wir unseren Kunden den Auf- und Ausbau lokaler und überregionaler Netzwerke entlang der textilen Wertschöpfungskette. Um junge wie auch erfahrenere Mitarbeiter im Unternehmen zu halten, empfehlen wir regelmäßige Gespräche, um Perspektiven und Erwartungen gegenseitig abzugleichen, damit unliebsame Überraschungen möglichst vermieden werden. Das groß geschriebene Wort Kommunikation kommt häufig zu kurz. Dies gilt auch für die Unternehmensleitung.

Sind wir in Deutschland auch in derberuflichen Ausbildung und Förderung von Nachwuchskräften gut für die Zukunftgerüstet? Was gibt es noch für Verbesserungsmöglichkeiten?

Wenn es den Unternehmen der Branche gelingt, in ausreichender Zahl junge Leute für sich zugewinnen, dann bietet die in Deutschland noch bis heute in ihrer Art einmalige schulische und Hochschul-Infrastruktur, nicht zu vergessen das Institutswesen, beste Voraussetzungen, um textiles Fachwissen verbunden mit anderen Fertigkeiten zu vermitteln. Auch unsere angrenzenden Nachbarn in Österreich, in der Schweiz und in den Niederlanden sehen dies so und greifen gerne auf deutsche Fachkräfte zurück. Dabei zeigt sich in der Benennung der Studiengänge,dass es auch hier nicht nur um den Inhalt, sondern auch um die Verpackung geht hinsichtlich einer vermeintlich zeitgemäßen Bezeichnung. Allerdings sollte dabei dringend auf den Erhalt des Praxisbezugs und der textilen (und nicht nur Management-) Kenntnisse Wert gelegt werden. Parallel zur Hochschulbildung sollte unbedingt auch zukünftig der zweite Bildungsweg hoch gehalten undgefördert werden. Dies zeichnet Deutschland nun einmal weltweit aus. Hier müssen sich auch die Unternehmen und Unternehmer positionieren.

Wie lautet Ihr Leitmotiv für die Zukunft?

Branchenübergreifend vernetzt und im Detail spezialisiert!

Die Fragen stellte Mechthild Maas, Melliand Textilberichte,Frankfurt/M.